Die Vorstellung des Tropfenwagens der Rumpler Werke auf der Berliner Automobilausstellung im Jahre 1921 war eine Sensation, die weltweites Aufsehen erregte. Solch ein Fahrzeug hatte man bis dato
noch nicht gesehen.
Schon allein die Form - von oben gesehen, wie ein Tropfen - war eine radikale Neuerung im Automobilbau jener Zeit. Die völlig freistehenden Scheibenräder wurden nicht von Kotflügeln abgedeckt,
über ihnen thronten "tragflächenartige Stummel". Und was war das? Das Lenkrad war vorn in der Wagenmitte angeordnet! Der 6 Zylinder Fächermotor war in platzsparender W-Form vor der Hinterachse
angeordnet - der erste Mittelmotor der Welt! Die Hinterachse war als Pendel - Schwingachse ausgeführt, eine Novität!
Der Tropfenwagen war radikal anders als alles was bisher auf den Strassen zu sehen war. Die Besucher der Automobilausstellung müssen sich die Nasen platt gedrückt haben - an den, erstmals in der
Automobilgeschichte verwendeten, gebogenen Scheiben.
Der Rumpler - Tropfenwagen war das erste Automobil, dass die Rumpler Werke in Berlin - Johannisthal herstellten. Der Namenspatron, Edmund Rumpler, war dem Publikum bislang nur aus dem Flugzeugbau bekannt. 1872 in Wien geboren, beschäftigte er sich zwar anfänglich nach dem Studium an der Technischen Hochschule mit Automobilen - er hatte bei der Nesselsdorfer Waggonfabrik (später Tatra) und bei Adler in Frankfurt gearbeitet - bekannt wurde er aber durch die Nachbaurechte an einem Flugzeug, dass er ab 1910 mit großem Erfolg unter dem Namen "Rumpler-Taube" in hoher Stückzahl fertigte.
Nach dem Ersten Weltkrieg machte der Versailler Vertrag aber den Flugzeugbau in Deutschland unmöglich. Die Rumpler Werke beschäftigten in Augsburg und Berlin bei Kriegsende ca. 3000 Mitarbeiter. Also wandte sich Rumpler wieder dem Automobil zu. Und seine Erfahrungen aus dem Flugzeugbau sollten in die Entwicklung eines völlig neuen Fahrzeug einfliessen.
Die aerodynamische Tropfenform war sicher das auffälligste Merkmal, dass vom Flugzeugbau übernommen wurde. Der Grund hierfür war anfänglich in erster Linie, dass der Wagen während der Fahrt
möglichst wenig Staub aufwirbeln sollte. Viele Strassen waren damals ja noch nicht asphaltiert. Erst später kam auch der geringere Kraftstoffverbrauch als Argument hinzu.
Tatsächlich gelang Edmund Rumpler ein Luftwiederstandsbeiwert, den heute noch viele Fahrzeuge nicht erreichen. In den 70 Jahren rückte, nach zwei Ölkrisen, der Benzinverbrauch von Automobilen
stark ins Interesse der Öffentlichkeit. Damals wurde der Tropfenwagen von Rumpler im Windkanal von VW intensiven Tests unterzogen. Man stellte einen CW-Wert von 0,28 fest!
Rumpler hatte den Wagenunterboden als Wanne konstruiert, die die Technik aufnahm und auf der der Aufbau sass. Ein völlig ebener Unterboden wurde erst ab 1956 bei der Citroën DS in großer Serie
wieder angewendet, die "nur" auf einen CW-Wert von 0,38 kam.
Trotz des Erfolgs auf der Berliner Automobilausstellung verkaufte sich der Rumpler Tropfenwagen nur schleppend. Das mag einerseits an dem hohen Preis von ca. 17.000 Reichsmark gelegen haben, andererseits war das Fahrzeug den meisten Kunden zu radikal geraten.
In der Praxis zeigten sich zudem noch gravierende Mängel, die sich schnell rumsprachen. Die Lenkung war schwergängig, die Fahreigenschaften schlecht, der Fächermotor litt unter thermischen
Problemen, was schnell zum Tod des Triebwerks führte. Der Kraftstoffverbrauch war, trotz Tropfenform, mit ca. 25 Litern auf 100 km sehr hoch. Und obwohl der Wagen als Reiselimousine angepriesen
wurde, gab es aufgrund der konsequenten Tropfenform keine Möglichkeit Gepäck mitzunehmen.
Rumpler versuchte daraufhin fieberhaft die Mängel abzustellen, so gab es später Drahtspeichenräder und normale Kotflügel und andere Motoren. Aber alle Retuschen halfen nichts, der Wagen blieb
kaum verkäuflich. So wurden die Fahrzeuge an Berliner Kraftdroschkenunternehmen verramscht, eine damals gängige Praxis.
Bild rechts: Die Luftein- und auslässe für die Motorkühlung vom Heck aus gesehen - die Achillesferse des Tropfenwagens.
Von ca. 100 Fahrgestellen wurden um die 80 mit Aufbauten versehen. Die letzten unverkäuflichen Wagen wurden zum Materialwert an die UFA verkauft und in Fritz Langs Film "Metropolis" auf einem riesigen Scheiterhaufen verbrannt. 1925 stiftete Edmund Rumpler seinen ersten Tropfenwagen dem Deutschen Museum in München, wo er im Verkehrszentrum auf der Theresienhöhe zu bewundern ist. Ein weiteres Fahrzeug steht im Berliner Verkehr- und Technikmuseum.
© Text und Bilder: Classic-Car-Revue / Heiko Feld
ausser Bild im Header: Österreichischer Motor 1920-1926 - Europa-Motor 1927-1937, gemeinfrei